Ein sehr schönes Buch von John Irving trägt den Titel: „Gottes Werk und Teufels Beitrag“. Fragt man Kinder nach des Teufels Beitrag, so sagen die sehr schnell, dass Hausaufgaben eindeutig in der Hölle erdacht wurden. Sie sind Teufelswerk. Im Lied heißt es ja, der Teufel hat den Schnaps gemacht, und ich bin mir sicher, gleich im Anschluss daran hat er die Hausaufgaben erfunden.
Ich habe ja oft an Küchentischen gesessen und Eltern dabei zugeschaut, wie sie die Hausaufgaben ihrer Kinder begleiten. Viele machen das gut, sehr liebevoll und auch richtig. Aber ein paar Fehler machen fast alle: Sie quatschen dauernd rein. Das Kind macht gerade Mathe und Vati fragt „Was habt ihr denn in Deutsch auf?“
Sie loben zu wenig, meckern eher oder lassen den Besserwisser raushängen.
Aber das allerschlimmste ist folgendes: DAS RADIEREN!
Der Teufel hat vielleicht die Hausaufgaben gemacht, aber den Radierer hat seine Schwiegermutter erfunden! Der Radiergummi ist das perfideste Mittel, um Eltern und Kinder gleichermaßen zu quälen. Kinder in der 1. und 2. Klasse schreiben meistens noch mit Bleistift, damit sie Fehler einfacher korrigieren können. Und gerade Erst- und Zweitklässler machen viele Fehler. Da wird dann oft wie wild radiert, bis das Blatt durch ist.
Eltern nehmen häufig den Radierer zur Hand und radieren kräftig mit. Gnadenlos werden alle falschen Ergebnisse oder falsch geschriebenen Worte ausradiert. Und es folgt die liebevolle Anweisung: „Das machst Du jetzt neu und diesmal ohne Fehler!“
Das finden Eltern völlig normal, dass 20 Minuten Arbeit nochmal gemacht werden müssen. Dabei ist das die totale Frechheit. Angenommen Sie haben für ihren Partner, ihre Partnerin gekocht. Der/die probiert, kippt das Essen in den Müll und sagt:
„Schatz, das war nicht richtig. Das machst Du einfach nochmal.“
Wenn Sie dann mit der Bratpfanne zuschlagen, werden Sie von jedem Richter freigesprochen – Affekthandlung!
Oder stellen Sie sich vor, Ihr Chef würde Ihnen mitteilen, er sei mit Ihrer Arbeit vom Vormittag nicht zufrieden und Sie müssten nun nach Feierabend das korrigieren. Unentgeltlich natürlich und in Ihrer Freizeit.
Sie gingen doch zur Gewerkschaft.
Nun sind aber Erstklässler selten gewerkschaftlich organisiert und einen Betriebsrat gibt es meist auch nicht. Was bleibt also dem Kind übrig? Es bleibt nur der Ausraster, die Wut und die Verzweiflung über diese Ungerechtigkeit. Es fliegen Hefte, Bücher und Stifte. Eltern sind völlig überrascht, dass der Nachwuchs nicht freudig ausruft: „Vielen Dank, liebe Mutti, dass ich jetzt in der Wiederholung noch größere Lernerfolge erzielen kann!“ Ich frage mich, was sind das für Kinder, die so undankbar sind!?
Die Eltern drehen sich dann immer zu mir und sagen ratlos: „Sehn Se! So ist das jeden Tag hier!“
Radierer sind echt der letzte Mist in den Fingern von Eltern. Sie ruinieren beim Radieren die Beziehung. Da hat das Kind gearbeitet, sich angestrengt und – zack – sind die Ergebnisse seiner Bemühungen nicht mehr sichtbar. Wären die Kinder schlau, würden sie sich verweigern und am nächsten Morgen in der Schule ihre zwar falschen aber meist noch erkennbaren Ergebnisse vorzeigen und sagen:
„Schauen Sie, Frau Lehrerin, ich habe meine Aufgaben gemacht, aber meine Mutter hat sie ausradiert!“
Das fände ich toll! Da ruft dann die Lehrerin bei der Mutter an und sagt nicht „Ihr Sohn hat jetzt zum dritten Mal die Hausaufgaben nicht gemacht!“ Sondern: „Sie haben jetzt zum dritten Mal die Hausaufgaben ausradiert, das muss ich leider der Direktorin melden!“
Für den ADHS-Leser
Eltern radieren.
Aufgaben ruinieren.
Kinder protestieren.
Möbel demolieren.
Alle frustrieren.